Wer über den Reschenpass ins Vinschgau nach Südtirol fährt, kommt an ihm vorbei, den Reschensee (Lago di Resia), mit dessen markanten Wahrzeichen den aus dem See ragenden Kirchturm von St. Katharina. Der in der Gemeinde Graun liegende See ist nur wenige Kilometer von der österreichisch-italienischen Grenze entfernt. Mit sechs Kilometer Länge, einen Kilometer Breite, einer Fläche von ca. 677 Hektar und einem Fassungsvermögen von ca. 120 Millionen Kubikmeter Wasser ist der Reschensee der größte See Südtirols.
Die Tragödie des Reschensee
Der Kirchturm von St. Katharina ist vermutlich das meistfotografierte Motiv ganz Südtirols. Doch die Ursache ist eine wahre Tragödie. Bereits 1911 gab es Überlegungen und 1920 gab es bereits Pläne den Reschensee und Graunsee (Mittersee) um mehrere Meter aufzustauen, was keine unmittelbaren Auswirkungen auf die umliegenden Ortschaften gehabt hätte. Doch erst 20 Jahre später, wurde die Idee des Staudamms neu aufgegriffen. Die Societá Elettrica Alto Adige, ein Tochterunternehmen des Konzern Montecatini (heute Edison) erarbeitete ein neues Konzept den Wasserspiegel um 22 Meter anzuheben, was unter der Regierung Mussolini genehmigt wurde. Gestoppt durch den 2. Weltkrieg verlangte der Konzern nach dem Krieg den Weiterbau des bereits genehmigten Stausees.
Zunächst gab es Verzögerungen wegen finanzieller Schwierigkeiten, doch Schweizer Elektrizitätsgesellschaften brauchten dringend Strom und boten eine Finanzierung von 30 Mio. SFR an. Erste Enteignungen gab es bereits unter der faschistischen Regierung Mussolinis. 1947 wurde die Bevölkerung über die Größe des Stausees informiert. Unmittelbar danach begann der Bau mit 7000, überwiegend aus Süditalien angeworbenen Arbeitern. Es regte sich Protest, doch das Projekt war nicht mehr zu stoppen. 1949 wurde eine Probestauung auf 1485 durchgeführt, was die Bevölkerung als Provokation empfand und die Polizei musste zum Schutz der Arbeiter eingreifen. 1950 sollte die erste Vollstauung stattfinden und ca. 100 Familien aus Graun und Reschen mussten eine Entscheidung treffen, ob sie an höherer Stelle ihre Häuser bauen, oder umsiedeln wollen.
Letztlich blieben nur 35 Familien. Außer dem denkmalgeschützten Kirchturm von Graun aus dem 14. Jahrhundert wurde alle Gebäude in Graun und den Weilern Arlund, Piz, Gorf und Stockerhöfe zerstört und überflutet, wie auch die betroffenen Gebäude in Reschen. Bis heute ranken sich zahlreiche Sagen und Erzählungen um dieses Ereignis. Dem Volksmund nach sind manchmal noch die Kirchenglocken zu hören, die aus der Tiefe geläutet werden!
Beliebtes Ausflugsziel
Von der Tragödie des Reschensees ist heute nichts mehr zu spüren. Heute ist der Reschensee neben dem Kalterer- und Pragser Wildsee einer der beliebtesten Seen für Einheimische und Touristen geworden. Ob Wanderer oder Wassersportler, der See bietet für jeden etwas. Auch Wintersport ist am bzw. auf dem See möglich. Aufgrund von Instandhaltungsarbeiten wurde 2021 Wasser aus dem Reschensee abgelassen – der Pegel war so niedrig, dass Ruinen von Alt-Graun wieder zum Vorschein kamen.
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